Mein Grevesmühlen / Warum die Grevesmühlener auch Krähen heißen.
Warum die Grevesmühlener auch Krähen heißen. (Sage)
In
uralten Zeiten kannten die Grevesmühlener noch keine Weesbäume. Darum
hatten sie ihre liebe Not, wenn Korn oder Heu eingefahren wurde. Sie
konnten im Leben nicht viel mit einem Male fortbringen, und hatte der
Fuhrmann etwas mehr geladen, als "Legg upp Lerre", so ging mancher Halm
verloren, und die Armen und Sperlinge standen sich gut dabei. Eines
Tages kam ein Fremder in die Stadt und erzählte einem Grevesmühlener
Stadtkinde, bei ihm zu Hause hätte man Weesbäume. Das seien Bäume
beinesdick und etwa anderthalb mal so lang als ein Erntewagen. Die
würden, ganz gleich, ob Korn oder Heu, oben auf das Fuder gebunden. Dann
gehe kein Hälmchen verloren, und wäre das Fuder auch wer weiß wie hoch
und breit. Das schrieb sich unser Stadtkind hinter die Ohren. Als nun
die Ernte vor die Tür kam, hatte es nichts Eiliges zu tun, als
bekanntzumachen, es habe ein Instrument erfunden, das leiste beim
Einfahren des Kornes oder Heues gewaltige Dienste; man könne die Fuder
so hoch laden, wie man wolle, und verloren gehe kein Spierchen. Es
bestimmte einen Tag, an dem seine Mitbürger mit eigenen Augen die
wundersame Erfindung schauen sollten. Der bestimmte Tag kam heran, und
was von den Grevesmühleners Beine hatte, eilte hinaus auf den Acker des
Erfinders. Das Fuder wurde geladen, so hoch, wie die Grevesmühlener noch
keins gesehen hatten, und der Weesbaum hinauf gebracht. Aber der
kluge Erfinder band den Baum nicht der Länge nach aufs Fuder, wie es
doch jeder rechtschaffene Christenmensch tut, sondern verquer, so daß
die Enden des Baumes links und rechts vom Wagen abstanden, wie ein paar
ausgebreitete Riesenarme. Dennoch fanden die guten Grevesmühlener alles
wunderschön und freuten sich höflichst über die Erfindung ihres
Mitbürgers. Hinten und vorn fiel beim Fahren freilich noch ab und an ein
Bündlein ab, aber in der Mitte lag's doch fest. Die Fahrt ging ab,
und das Fuder kam glücklich bis ans Tor. Da aber war Holland in Not. Der
Weesbaum wollte den Wagen nicht hindurchlassen. Da stand denn die ganze
Bürgerschaft und ratschlagte, wie's nun müßte und wie's nun werden
sollte, und die Herren Stadtrepräsentanten zerbrachen sich die Köpfe,
und der Erfinder kratzte sich hinter den Ohren. Stunde um Stunde
verging; der Abend kam immer näher, nur das Fuder hielt immer noch vor
dem Tor. Einige von den Herren Repräsentanten schlugen schon ein
verzweifeltes Mittel vor, das Tor nämlich auf den Markt zu verlegen, wo
es sich sicher nicht schlecht ausnehmen werde, denn es war noch
funkelnagelneu. Da flog eine Krähe vorüber und schrie: "Scharp, scharp,
scharp vöhr! Scharp vöhr!" Da legte, was der oberste Ratsher war, den
Finger an die Nase und sagte auf Plattdeutsch: "Holt still, dei Kreih
hett recht; scharp vöhr möht't." Und geht zu dem Erfinder und sagt: "Dei
Kreih hett recht; scharp Vöhr möht't." Da geht auch bei diesem ein
Licht auf, und er sagt: "Ja, Herr Ratsher, sei hett recht." Sogleich
steigt er auf den Wagen und legt das scharfe Ende des Baumes vor. Und
richtig, der Wagen fährt ohne Ruck und Zuck durch das Tor. Als sie
hindurch sind, nimmt der Ratsherr den Erfinder auf die Seite und fragt:
"Meister, ick als wohlweiser Rat der Stadt Grevesmühlen frag Jug upp
Juhg Gewissen: Heft Ji dat Instrument von Behsboom würklich sülffst
erfun'n? Mi willt nich so vorkamen. Woher süll't dei Kreih süß weiten,
dat't scharp En'n vör möht, wenn sei't nich ein Stährs seihn harr?" Da
erschrak der Erfinder und sagte: "Herr Ratsherr, wenn Sei mi so fragen,
möht ick't seggen; Herr Ratsherr, so is 't, un Sei hebben recht." Seit
der Zeit werden die Grevesmühlener Krähen genannt, und seit der Zeit
legen die Grevesmühlener den Weesbaum bis auf den heutigen Tag verlängs
und nicht verquer aufs Fuder.
Mecklenburger Volkssagen. Gesammelt von Dr. A. Niederhöfer. Leipzig 1862, Band 4 Seite 241.
Die Münzstätte Dalemann.
Aus der Chronik der Stadt geht hervor, dass in
Grevesmühlen im 16. Jahrhundert herzogliches Geld geprägt wurde.
Außerdem wurden Münzen für die Stadt Grevesmühlen geprägt, so genannte
Blafferte. Und diese Münzen versah Münzmeister Dalemann neben dem
Stadtwappen, halber Stierkopf und halbes Mühlenrad, auch mit seinem
Münzzeichen. Es bestand aus einer Dohle (Krähe), die er sicherlich in
Anlehnung an seinen Namen wählte
Es lässt sich wohl eher vermuten, dass deshalb die Grevesmühlener auch "Krähen" heißen.